Schuljahr 2015/2016

Tagesexkursion zu den Schlachtfeldern von Verdun

Auch in diesem Jahr wurde den Schülerinnen und Schülern der 10. Klassen des Gymnasium Edenkoben die Möglichkeit geboten, sich für die sogenannte „Verdun-Fahrt“ anzumelden. Sinn und Zweck dieses Ausfluges sollte es sein, den 1. Weltkrieg nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern mit den Schicksalen der Betroffenen konfrontiert zu werden und dafür zu sorgen, dass kommende Generationen von solchem Leid und schrecklichen Erlebnissen verschont bleiben. Verpflichtend für die Fahrt war ein Vor- bzw. ein Nachtreffen. Beim Vortreffen wurde uns eine umfassende, sehr beeindruckende Dokumentation des Schlachtfeldes von Verdun gezeigt. Außerdem bearbeiteten wir passend dazu ein Arbeitsblatt. Nun waren wir also neben dem Unterricht perfekt für Verdun vorbereitet.

Am Morgen des 23. September fuhren wir schließlich mit einem Reisebus nach Verdun. Die Fahrt sollte etwa drei Stunden dauern und noch wussten wir nicht so richtig, was genau auf uns zukommen würde. Zwar hatten wir vorher Bilder und während des Vortreffens auch eine Dokumentation über die Schlachtfelder von Verdun gesehen, doch so richtig vorstellen, wie das Schlachtfeld damals und auch heute aussah, beziehungsweise aussieht, konnte sich niemand. Als wir ankamen, waren wir von der Größe - und auch vom Aussehen -des Geländes, ein Ort an dem über 700.000 Menschen gestorben sind, überrascht. Unbewusst geht man davon aus, dass so etwas sehr karg, ohne Pflanzen, kalt und trostlos aussehen muss. Zumindest die Natur schien sich jedoch von dem inzwischen fast 100 Jahre altem, schrecklichen Gemetzel erholt zu haben, auch wenn die Vegetation erst seit einigen Jahrzehnten so aussieht, wie wir später erfuhren.

Auf den ersten Blick sah man viele Bäume und eine weite Grünfläche, die den Anschein eines normalen Waldes hatten. Der Bus schlängelte sich auf einer Straße dazwischen hindurch. Wenn man jedoch genauer hinsah, bemerkte man, dass der Boden eine sehr unnatürliche Form hatte; von kleinen Hügeln und Kuhlen durchsiebt, Kraterlandschaften, die die Folge der wochenlangen Bombardierung der Erde mit Granaten darstellen. Noch heute werden Blindgänger gefunden und es ist deshalb verboten, Teile des Geländes zu betreten. Ein weiteres Detail, das auffiel, waren die Schützengräben, die hier und da zwischen der Straße auftauchten. Kleine Pfade, die in den Boden gegraben und links und rechts von Holzpfählen gespickt wurden.

Nun hatten wir zwar ein Bild davon, wie die Landschaft heute aussah, doch wie war es 1916? Die meisten Denkmäler, Gräber oder Landschaften, die man besichtigt, sind sehr alt und häufig teilweise oder ganz beschädigt oder einfach der Zeit zum Opfer gefallen. Man sieht nur noch Ruinen und muss sich im Kopf eine Vorstellung davon erschaffen, wie alles einst als vollständiges Gebäude aussah. Hier in Verdun war es anders. Die Bäume und das Gras musste man sich wegdenken, denn von den hier zu sehenden Pflanzen war nach Ende der zehnmonatigen Schlacht 1916 nichts mehr übrig geblieben. Anhand von Bildern oder sogar Filmaufnahmen sieht man zwar den Kontrast zwischen damals und heute, doch nun vor Ort kann man sich auch einigermaßen vorstellen wie es sich angefühlt haben muss, tagelang in Schützengräben neben den Leichen gefallener Soldaten auszuharren, von Hunger, Durst und Schmerzen gepeinigt, überhaupt so etwas Schreckliches durchzumachen, das werden nur die Menschen, die die Schlacht vor 99 Jahren erlebt haben, wissen.

Der Bus hielt schließlich am Gebeinehaus von Douaumont, welches die erste Station unserer Exkursion war. Im Inneren des länglichen Gebäudes befinden sich die Gebeine von ca. 130.000 deutschen und französischen Soldaten, die nicht identifiziert werden konnten. Dies ist übrigens auch der Ort, an dem sich 1984 François Mitterand und Helmut Kohl symbolisch zum Zeichen der Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich die Hand reichten.

Wir hatten nun etwas Zeit, das Gebeinehaus sowie die über 16.000 Gräber der identifizierten französischen Soldaten, die sich vor dem Gebäude befinden, zu besichtigen. Diese bestehen aus schlichten weißen Kreuzen, es gab daneben aber auch ein Rasenstück mit Gräbern der Soldaten, die muslimischen Glaubens waren und deren Grabsteine gen Osten nach Mekka gerichtet sind. Das war das erste Mal, dass wir nachdenklich wurden. Wenn man an den Gräbern entlang läuft und den Namen eines gefallenen Soldaten liest, fragt man sich doch unterbewusst, wie er wohl aussah, wie er gestorben war, ob er eine Familie hatte und welche Träume und Ziele er eigentlich in seinem Leben hatte.

Anfang 1916 hatten sich zumindest die, die freiwillig in den Krieg zogen, eine ruhmreiche Heimkehr und ein schnelles Ende vorgestellt und sicher nicht, dass sie einmal knapp 100 Jahre später einer von 16.000 Soldaten sein würden, die unter einem weißen Kreuz begraben liegen, zwar identifiziert (und die somit doch etwas mehr Glück hatten als ihre Kameraden, die vermisst und niemals gefunden oder identifiziert wurden) aber auf eine Weise doch anonym, einer von 700.000 Toten- ein Einzelschicksal.

Jetzt fragt man sich allerdings, wer die Schlacht von Verdun damals überhaupt gewonnen hat? Die traurige Wahrheit ist: wirklich gewonnen hat niemand, denn die Verluste auf beiden Seiten waren dermaßen hoch, dass keines der beiden Länder davon profitieren konnte. Einen entscheidenden Einfluss auf den Ersten Weltkrieg hatte die "Hölle von Verdun" zudem auch nicht. Die blutige Sinnlosigkeit der Schlacht macht das Ganze so nur noch tragischer.

Nach der Besichtigung des Gebeinehauses von Douaumont und der Gräber fuhren wir schließlich weiter zum Fort Douaumont, welches vor der Schlacht von Verdun als uneinnehmbar galt und das größte und stärkste Werk der Festung Verdun war. Allerdings wurde es bereits kurz nach Beginn der Schlacht schon von den deutschen Truppen eingenommen. Im Inneren des Forts war es sehr nass und an der Decke hingen "Tropfsteine" (Kalkablagerungen des Regenwassers, das sich seinen Weg mit den Jahren durch die Mauern bahnte).

Es war ein wenig, als betrete man einen sehr alten Keller. Unser Reiseleiter der Kriegsgräberfürsorge führte uns durch das Fort, das wie ein Labyrinth anmutete, und erklärte uns die verschiedenen Räume.

Zunächst führte er uns durch einen Schlafsaal mit ca. 15 Stockbetten. Etwa 4 bis 5 Männer teilten sich ein Bett - wenn sie Glück hatten. Der Rest musste sich in eine Ecke kauern, wenn er denn einschlafen konnte, denn im Winter war es im unbeheizten Fort Douaumont extrem kalt. Zudem waren die Soldaten dem ständigen Lärm des Artilleriebeschusses ausgesetzt. Die psychischen Folgen sah man an den sogenannten "Kriegszitterern", die es nach dem Ersten Weltkrieg überall gab und die zunächst für Simulanten gehalten wurden, weil sie unkontrolliert zitterten und oft panische Angst vor Waffen hatten.

Der nächste Raum waren die Toiletten. Die Hygienebedingungen waren wie erwartet katastrophal. Es gab nur sehr wenige Toiletten, die man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen kann. Denn diese "Luxusvariante" waren kleine Löcher, die im Boden eingebracht waren und um diese Stelle herum waren seitlich jeweils Holzbretter als Sichtschutz angebracht, die wenigstens etwas Privatsphäre boten. Weder Toilettenpapier noch sauberes Wasser zum Händewaschen war vorhanden. Eine weitere Möglichkeit, sein Geschäft zu verrichten, war in einem Eimer oder an seitlichen Kanälen an den Mauern. Logisch, dass es im Fort schrecklich gestunken haben musste und sich Krankheiten rasend schnell verbreitet haben. Auch das war ein großes Problem für die Soldaten, denn es gab nur selten Medizin und so starben manche an einer einfachen Erkältung, da ihr Immunsystem (auch durch das mangelnde Essen und Trinken) zu sehr geschwächt war.

Da die Waschräume ebenfalls nur sehr spartanisch eingerichtet waren und Wasser zu einem sehr kostbaren Gut wurde (oft musste man seinen eigenen Urin trinken, da Wassermangel bestand), hatte man kaum die Möglichkeit sich zu waschen. Heute für uns nicht vorstellbar, in Kriegszeiten völlig normal.

Was uns sehr gewundert hatte, war, dass es einen sogenannten Entlausungsraum gab. Da viele Leute auf einem Fleck gelebt hatten, verbreiteten sich auch schnell Kopfläuse, die sich zum Beispiel in den Filzuniformen der Soldaten verbreiten konnten.

In einem weiteren Raum befand sich ein versenkbares Geschütz. Von dort aus wurde der sogenannte „Galapin-Panzerturm“ von zwei bis drei Mann hochgefahren, um das Geschoss abzufeuern.

Nachdem wir sehr nachdenklich von den Eindrücken wieder im Bus saßen, fuhren wir weiter in Richtung Wald zu der letzten Station unseres Tagesausfluges. Einer vollkommen zerstörten Ortschaft- Fleury.


Wir konnten uns überhaupt nicht vorstellen, dass dort wirklich einmal ein Dorf gewesen sein soll. Denn heute sieht man an dieser Stelle nur noch die hügelige grüne Landschaft, Bäume und ein paar Kieswege, sowie in der Mitte dieses Gebietes eine kleine Kirche. Diese Kirche, die jedoch nachgebaut wurde, war einst der Mittelpunkt des kleinen Bauerndorfes Fleury. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges sagte man den Bewohnern des Dorfes, dass sie ihre Häuser und Besitztümer wegen des aufkommenden Krieges verlassen müssten. Viele Anwohner wanderten zu ihren Familien in andere Teile Frankreichs aus, andere jedoch wollten ihr Schicksal nicht wahrhaben und mussten deshalb gewaltsam von Polizei und Militär vertrieben werden. Bei einigen schlummerte sicherlich tief im Inneren noch die Hoffnung, dass sie eines Tages wieder nach Hause zurückkehren können. Doch Fleury wurde völlig zerstört. Denn zu Zeiten des Krieges teilten sich Frankreich und Deutschland das Gebiet.

Die Franzosen belagerten den südlichen Dorfteil, die Deutschen wiederum den nördlichen. Fleury ist eines der neun Dörfer, die im Krieg zerstört wurde. Doch bis heute gibt es einen ehrenamtlichen Bürgermeister, ein Ortsschild, sowie Wegweiser die zeigen, wo früher Häuser gestanden haben. Völlig unvorstellbar, aber dennoch traurige Zeugnisse eines schrecklichen Krieges. Ein langer Tag mit vielen Eindrücken und Emotionen ging zu Ende, der uns noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Begleitet wurden wir von unserem Geschichtslehrer Herrn Snella, sowie von Frau Schädler und Herrn Dr. Becker. Ein herzliches Dankeschön auch an unseren Reiseleiter Ulli von der Kriegsgräberfürsorge, der uns diesen Besuch ermöglicht hat!

 

Anna-Carina Diehl und Maren Herbst