November 2015
Nachdem wir uns im Deutsch-LK von den Sommer- bis zu den Herbstferien mit Goethes wahrscheinlich bekanntestem Werk „Faust – der Tragödie erster Teil" beschäftigt hatten, bot Frau Schädler uns an, ins Theater zu gehen und uns eine Aufführung des Stücks anzusehen. Zehn Schülerinnen und Schüler zahlten je 15,40 € und machten sich auf eine originalgetreue Inszenierung gefasst, die vom Staatstheater Wiesbaden im Pfalzbau in Ludwigshafen aufgeführt wurde. Niemand, nicht einmal unsere Lehrerin, wusste vorher, was uns erwarten würde, weshalb wir wohl schließlich sehr überrascht waren. Die Handlung hielt sich natürlich im großen und ganzen an das Original, doch manche Szenen wurden verändert, der Text entsprach nur stellenweise dem von Goethe, aber vor allem der Teufel Mephisto wurde sowohl von einer Frau als auch von einem Mann dargestellt, die oft gleichzeitig spielten. Außerdem begleitete nach Fausts Verjüngung der alte Faust den jungen wie einen Geist. Diese im Theater „Figuren-Splitting" genannten geteilten Charaktere waren sehr beeindruckend, wenn auch teilweise irritierend. Durch den in einigen Szenen auftretenden alten Faust wurde deutlich, dass Faust ausschließlich eine äußerliche Verwandlung erlebt hat, doch mit seinem alten Wissen und Verstand auf sein Leben blickt. Der weibliche Teufel hingegen konnte Faust auf eine ganz andere Art und Weise verführen als der männliche, sodass die Verführung Fausts durch Mephisto eine neue Dimension (die in der Lektüre nicht ersichtlich ist) annahm, bei der sich der Regisseur auch nicht gescheut hatte, nackte Haut zu zeigen. Letzteres zeigte sich auch in der Walpurgisnacht, die auf der Bühne die reinste Orgie darstellte, in der dicke, nackte Frauen (Männern in sehr echt aussehenden Kostümen und mit bunten Perücken) ihren Trieben freie Fahrt gewährten und sich sehr nahe kamen. Diese exhibitionistischen Momente tauchten mehrfach auf und sorgten auch bei den Rentnern im Publikum für anhaltende Lacher.
Etwas irritierend war eine Art Wasserbecken vor der Bühne, durch das die Figuren hin und wieder liefen oder sich darin prügelten, dessen Zweck nicht ganz ersichtlich war. Möglicherweise symbolisierte das Wasser darin die Schuld, die einige Figuren durch ihr Handeln auf sich laden, denn Mephisto und Faust wälzten sich teilweise im Wasser, während Gretchen immer nur mit Gummistiefeln hineinstieg.
Uns gefiel die Inszenierung sehr gut, denn der Handlung mangelte es weder an Spannung, noch wurde sie unnötig in die Länge gezogen. Die schauspielerische Leistung der Darsteller war sehr beeindruckend und die akustischen Elemente und das Licht empfanden wir neben dem recht einfach gehaltenen Requisiten als sehr gelungen. Die nach hinten unten auf einen Fluchtpunkt in Form einer quadratischen Tür zulaufende Bühnenform hatte außerdem einen ungewohnten aber sinnvoll genutzten Effekt, denn das, was sich im Hintergrund abspielte, wirkte genauso groß, wie das im Vordergrund.
Esther Schumacher & Jule Eisel
MSS12 / DE2 / Sae